STATE OF THE ARTS
Voicing Pieces
Begüm Erciyas
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Begüm Erciyas

Voicing Pieces, 2016
Installation und Performance
Courtesy die Künstlerin

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Konzept: Begüm Erciyas
Realisation: Begüm Erciyas and Matthias Meppelink
Dramaturgie: Marnix Rummens
Livesteuerung: Niels Bovri, Eric Desjeux / Lieven Dousselaere, Begüm Erciyas
Text: Matthias Meppelink, Begüm Erciyas, Jacob Wren
Realisation Bühne: Tim Vanhentenryk, Lena Buchwald, Barbara Greiner
Künstlerische Mitarbeit: Jean-Baptiste Veyret-Logerias
Produktionsleitung / PR: Barbara Greiner

Produktion: Begüm Erciyas, Platform 0090
Koproduktion: wpZimmer (Antwerp), STUK (Leuven), Tanzfabrik Berlin/ Tanznacht Berlin
Rechercheunterstützung / Residenzen: Kunstencentrum BUDA (Kortrijk), Q-O2 Workspace for experimental music and sound art (Brussels), FrankfurtLAB, Tanzrecherche NRW, Goethe-Institut Villa Kamogawa
Gefördert durch den Hauptstadkulturfonds Berlin

*1982 in Ankara, Türkei
Lebt in Berlin und Brüssel, Belgien

HINWEIS
Die Arbeit Voicing Pieces kann zu unserem großen Bedauern auf Grund der aktuell geltenden Gesundheitsvorgaben nicht wie geplant stattfinden.

Auch wenn Begüm Erciyas´ Arbeit in der Ausstellung nicht zu sehen ist, ist sie fester Bestandteil des Ausstellungskonzepts und weiterhin hier auf dieser Website zu erleben.

Begüm Erciyas, Voicing Pieces, Foto von © Bea Borgers

Begüm Erciyas, Voicing Pieces, Foto von © Bea Borgers

eine zarte Ahnung und ein Anstoß
zur Veränderung, ein fragiler Anfang, zugleich Akt der Befreiung.

In Voicing Pieces wird die Stimme des Besuchers zum Protagonisten der Inszenierung. In der Intimität einer Kabine, geleitet von einer einfachen Partitur, wird man zum Hörer seiner eigenen Stimme. Der Akt des Sprechens und das gleichzeitige Hören der eigenen Stimme verwandelt sich in einen theatralischen und choreografischen Akt, der mit jeder individuellen Interpretation der Partitur eine neue Form annimmt. Die Stimme wird zum Ort des Geschehens, zum Spektakel oder zur Überraschung. Ist die eigene Stimme nicht immer fremd und unheimlich? Wer spricht, wenn man die eigene Stimme hört? Anstatt sich im Fremden zu erkennen, ist Voicing Pieces eine Einladung, das Fremde in sich selbst wahrzunehmen.

Folgender Text von Bojana Kunst verfasst, 2017

Sie, die Leserin, ist immer eine Anfängerin, die etwas anstößt. Deshalb ist Lesen so verführerisch: eine zarte Ahnung und ein Anstoß zur Veränderung, ein fragiler Anfang, zugleich Akt der Befreiung. Diese Qualität des Lesens wurde mir in dem Augenblick bewusst, als ich meinen Oberkörper in das pilzförmige Gebilde der Performance Voicing Pieces schob und die erste Seite des großen Buches aufschlug, das dort auf mich wartete, um laut vorgelesen zu werden: Mit dem ersten Wort öffnete sich das Lesen in eine unaufhaltsame, überquellende, fast überwältigende Abfolge von Ereignissen. Meine Stimme testete sich selbst, überprüfte die eigene Klangfarbe und Intensität, passte ihre Frequenz und die Art, wie sie die Konsonanten bildete, an. Aber zugleich wurde sie auch an mich, die Leserin, zurückgegeben. Der Text mit seinen verschiedenen Schattierungen, Wiederholungen und Echos begann, durch meinen Körper zu fließen, kam näher und zog sich zurück, bis meine Stimme und der Text schließlich die Eröffnung der Performance verkündeten und ich, abgekapselt im Inneren des Pilzes, laut las: Ich spreche den Anfang. Ich beginne diesen Satz, ohne zu wissen, wie er endet.

Begüm Erciyas, Voicing Pieces, Foto von © Bea Borgers

Ist das nicht genau das, was Lesen bedeutet? Wenn wir anfangen zu lesen, wissen wir nie, wohin wir uns begeben, wohin uns der Klang der (schweigend oder laut) gelesenen Worte führen wird. Die Dichterin Lisa Robertson, deren feinsinniger Essay über das Lesen meine eigene Vorstellung über diese Performance sehr gut widerspiegelt, hat die Qualität des Unbekannten beim Lesen ganz wunderbar beschrieben: „Während ich lese, setzt das Bewusstsein meiner selbst nicht nur vorübergehend aus, sondern es wird durch den Taumel der Sprache eines anderen zeitweise ausgelöscht. Ich bin nur ein Durchlauf, seine Kanal. Das ist Freude.“ Und Freude ist genau das, was in der Performance Voicing Pieces durch unser spielerisches Vorlesen der Texte, die in den drei pilzförmigen Konstruktionen auf uns warten, beständig erlebt wird: Die reine Freude an der Art des Lesens und der Artikulation der Worte, die laut ins Unbekannte vordringen und auf etwas gerichtet sind, das noch kommen wird. Und unser Lesen stellt das eigentliche Ereignis dar, ist unsere eigentliche Performance. Wir spielen mit Wörtern, der Artikulation, Rhythmen, Wiederholungen, Echos, Tönen, modulieren und verstärken beständig diese verschiedenen nichtsemiotischen Dimensionen von Sprache, die ihre affektiven und emotionalen Qualitäten ausmachen. Wie Sprache uns berührt, wie sie aufgebaut ist, sich zusammensetzt, ähnelt der Art und Weise, wie Poesie auf uns wirkt. Diese Performance ist gleichermaßen eine Erkundung der Stimme und eine Erkundung des Lesens, eine Erkundung der komplexen Beziehung zwischen dem Lesen eines geschriebenen Wortes, der Typografie, der Form, der Position auf dem Blatt und seiner Abhängigkeit von der Stimme; seine sinnliche, stimmliche und auditive Dimension. […] Durch die singuläre und isolierte Geste des lauten Vorlesens, erwecken wir die Performance, in der wir uns befinden zum Leben. In dem Augenblick, in dem wir aktiv zu lesen beginnen, werden wir gleichzeitig zu einem Instrument der Ereignisse, die mit ihrer Intensität und Nähe unseren Körper und den Text überfluten. 

Begüm Erciyas wurde 1982 in Ankara geboren. Während ihres Studiums der Molekularbiologie und Genetik begann sie bereits, in Tanzprojekten mitzuwirken. Dies führte zu ihrer Ausbildung an der Salzburg Experimental Academy of Dance. Heute lebt und arbeitet sie in Berlin und Brüssel.


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